Zukunft d. Medizintechnik: Expertentalk an der FH OÖ

Im Rahmen der FH OÖ-Veranstaltung „Forschung industrienah“ wurden nicht nur interessante Fachvorträge über den Status Quo in der Medizintechnik gehalten, sondern auch jene Fragen besprochen, welche die Wissenschaft und Wirtschaft in Zukunft gleichermaßen beschäftigen werden. Zu diesem Zweck kam am 15. Oktober 2018 eine internationale ExpertInnen-Runde am Campus Linz zu einer Podiumsdiskussion zusammen. Zwei Themen standen im Zentrum des Gesprächs: die Digitalisierung und die Anforderungen an Forschungskooperationen.
Unter der Leitung von Dr. Martin Zauner diskutierten Dr. Arthur Kaindl von der Siemens Healthcare GmbH, Nora Mack vom Medizintechnik-Cluster OÖ, Dr. Jens Meier vom Kepler Universitätsklinikum Linz und Roland Rott von GE Healthcare zunächst über die größten Innovationstreiber in der Medizintechnik-Branche. Siemens setzt laut Dr. Kaindl auf Differenzierung durch Innovation. Um diese sicherzustellen, greift das Unternehmen im Bereich Digital Health Services nicht nur auf Kompetenzen im eigenen Haus zurück, sondern arbeitet auch intensiv mit klinischen (zB Universitätskliniken und niedergelassenen ÄrztInnen) und technischen (Universitäten und Fachhochschulen) PartnerInnen zusammen. Dr. Kaindl zufolge bedient sich Siemens des Konzepts der Open Innovation, sprich das Unternehmen holt projektbezogen externe Expertise betreffend Bioinformatik, Software- und Digitalisierungsthemen ein.
Roland Rott von GE Healthcare betonte, dass sein Unternehmen zwar zu den weltgrößten Anbietern im Bereich Life Sciences gehört, aber trotzdem keine Kooperationen mit deutlich kleineren PartnerInnen scheut. Als wesentliche Zutaten des Erfolgsrezepts nannte er regionale Kundenbeziehungen sowie eine große Offenheit gegenüber neuen Vorschlägen. Was Krankenhäuser zwingt, sich für Innovationen zu öffnen bzw. diese stärker voranzutreiben, sind laut Dr. Meier vom Kepler Universitätsklinikum die zunehmende Verdichtung von Wissen und Arbeitslast bei den ÄrztInnen. MedizinerInnen hätten in ihrer täglichen Arbeit immer weniger Zeit, sich mit einzelnen PatientInnen zu beschäftigen. Hier würden computergestützte Expertensysteme, vor allem im Bereich der Mustererkennung, Entlastung bringen und die Versorgungsqualität steigern.
Digitalisierung: Einsatz nicht nur in der Behandlung, sondern auch zur Prävention
Darüber, dass die Möglichkeiten der Digitalisierung künftig nicht nur in der Behandlung stärker eingesetzt werden müssen, herrschte allgemein Einigkeit. Dr. Kaindl betonte, dass bessere Möglichkeiten des PatientInnen-Monitorings allein nicht ausreichen werden, um den allgemeinen gesundheitlichen Zustand der Bevölkerung zu verbessern. Um dieses Ziel zu erreichen, brauche es auch weiterhin den Faktor Mensch. In diesem Zusammenhang verwies Roland Rott auf die zunehmende Einbindung von Gesundheitsgadgets wie zB Smartwatches oder Fitnessarmbänder in den Alltag der Menschen, mit welchen sich bereits heute eine Vielzahl von Vitalfunktionen erfassen ließe. Diese Informationen könnten bei einer progressiveren Regulierung der Datenverarbeitung künftig noch besser für die Prävention von Krankheiten genutzt werden. Dr. Kaindl lobte in diesem Zusammenhang die Elektronische Gesundheitsakte ELGA, welche in Österreich gesundheitsrelevante Daten zentral speichert und PatientInnen somit deren gesammelte Weitergabe an ÄrztInnen erleichert.
Für Nora Mack, Managerin des oberösterreichischen Medizintechnik-Clusters, sprach über ihr Credo „Innovation durch Kooperation“. Sie führte aus, dass vonseiten der oberösterreichischen Landesregierung nicht nur gute Rahmenbedingungen für den Ausbau der Medizintechnik-Forschung geschaffen, sondern im Zuge der Initiative MEDUP (Medical Upper Austria) auch erhebliche finanzielle Mittel hierfür zur Verfügung wurden. Als Zielgruppen der ausgeschriebenen Leitprojekte sieht sie nicht nur bestehende Unternehmen aus der Region, sondern auch Start-Ups, welche gerne mitgestalten möchten, für Entwicklungen neuer Produkte jedoch nicht genügend Kontakte oder Ressourcen haben. All jene InteressentInnen fänden im Medizintechnik-Cluster die richtige Anlaufstelle.
TIMed CENTER Core Facilities: Der erste Eindruck externer Medizintechnik-ExpertInnen
Auch betreffend die TIMed CENTER Core Facilities gaben die vier ExpertInnen eine erste Meinung ab. Für Roland Rott ist künstliche Intelligenz ein ganz großes Thema. Das Forschungsfeld, welches sich hier auftue, könne von GE Healthcare alleine nicht gestemmt werden, weshalb es eine Achse zwischen Forschung, Industrie und Kunde brauche. Auf die Bereitschaft zur Nutzung der Labor- und Service-Einrichtungen bezugnehmend sagte Dr. Kaindl, dass es in den TIMed CENTER Core Facilities zwar potenzielle Anknüpfungspunkte für gemeinsame Projekte gäbe, zB im Bereich des Next Generation Sequencing. Für ein Unternehmen wie Siemens sei es jedoch entscheidend, dass die Verwertbarkeit von Forschungsergebnisse sichergestellt und der Faktor Wirtschaftlichkeit im Vorfeld der Forschungsaktivitäten berücksichtigt werde. Zu einem ähnlichen Schluss kam Dr. Meier: Seiner Ansicht nach schaffen die Core Facilities nicht nur Raum für Interaktion und Synergien, sondern erleichtern auch jenen Unternehmen die Forschungsarbeit, welche sich selbst keine teure Infrastruktur leisten können. Als entscheidend für das Zustandekommen von Kooperation beurteilt Dr. Meier aber die Ausgestaltung der Nutzungsrichtlinien. Laut Nora Mack sei die Nachfrage nach Einrichtungen wie den Core Facilities grundsätzlich gegeben, da viele Start-Ups aus dem Biotech-Bereich nach Plätzen zum Forschen und nach Kooperationen suchen würden.
Was die Medizintechnik-Branche von der Industrie 4.0 noch lernen kann
In diesem Kontext führte Dr. Kaindl an, dass klinische Prozesse im Krankenhausumfeld ganz klar von einer Standardisierung profitieren würden, welche es in der Industrie 4.0 bereits gibt. Im Bereich der Medizintechnik die Herausforderung folglich darin, verschiedene Messpunkte stärker miteinander zu verknüpfen. Roland Rott räumte Versäumnisse der Medizintechnik im Bereich der Digitalisierung ein, richtete seinen Fokus jedoch auf die Entwicklung effektiver Geschäftsmodelle. Ihm zufolge sollten sich die Überlegungen von Medizintechnik-Unternehmen nicht rein um die Technologie als solches drehen. Es gehe vielmehr darum sich zu fragen, wie sich die Digitalisierung zur Befriedigung der Bedürfnisse von KundInnen einsetzen ließe. Nora Mack akzentuierte in diesem Zusammenhang, dass es wichtig sei, voneinander zu lernen. Konkret gelte es den Ist-Zustand zu erheben, einen gewünschten Soll-Zustand festzulegen und nach Lösungen und Wegen zu suchen, wie man diesen erreicht. Der Medizintechnik-Cluster arbeite gerade an einem solchen Reifegradmodell. Dr. Meier sprach zum Abschluss eine Mahnung aus: Vor allem müsse man aus den Fehlern der Industrie 4.0 lernen. Diese habe Widerstände in der Bevölkerung erzeugt, auf welche die Digitalisierung 4.0 Bedacht nehmen solle. Grundsätzlich ginge es darum, den Menschen die Angst vor dem Unbekannten zu nehmen.